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Hauptmarkt Modell



Pfefferlebkuchen Mauerwerk

Dieses Video ist etwas taeuschend - ich hab die Pflastersteine nicht an die Wand gekleistert, aber die Kamera war so montiert, dass das Video senkrecht erscheint. Ich kann mir aber vorstellen, die Pflastersteine in einer Galerie so zu intallieren.

Sand/Gewürz

1/4 Teeloeffel von: Zimt, Allspice, Ingwer, Chili - extra 1/4 tl Chili - 1 vollen tl Chili


Es kann ziemlich teuer werden, ein paar Quadratmeter des Hauptmarkts mit puren Gewuerzen zu bestreuen. Ich denke, dass ich die Gewuerze mit Sand vermischen werde. In meinem Studio habe ich angefangen, die richtigen Proportionen von Sand und Gewuerzen zu finden; mein Studio hat noch nie so gut gerochen.

Mementos



Spuren auf der Kuechentheke, nachdem ich die aus dem Teig geformten Pfefferlebkuchen-Pflastersteine auf das Backblech transportiert hatte. Unerwartet und vergaenglich.

Mehr Pflastersteine gebacken



Ich habe nochmal einen Schwung Pflastersteine gebacken, dieses Mal habe ich sie kleiner ausgestochen. Ich habe vor, ein Modell des Hauptmarkts zu bauen, damit ich mir besser vorstellen kann, wie die Gewuerze auf den Pflastersteinen wirken.

Gewuerzhandel


In New Yorks Murray Hill Bezirk gibt es eine Anzahl indischer Lebensmittellaeden. Einer davon hat ein riesiges Angebot von verschiedensten Gewuerzen. Ich habe Ingwer, Allspice, Zimt und Chilli gekauft. Das intensive und nuancenreiche Rot von Paprika war sehr verfuererisch...

...verliefen sich im Wald....

Das Buch, an das ich mich aus meiner Kindheit erinnere

Seit einiger Zeit mache ich mir Gedanken ueber die Rolle von Maerchen in der deutschen Kultur. Im Zusammenhang mit meinem Projekt erscheint mir das Maerchen von Haensel und Gretel und deren Martyrium im Hexenhaus ziemlich bedeutsam. Die erzwungene Migration der Geschwister aus deren Haus durch einen dunklen Wald, das erfolglose Unterfangen, Spuren aus Brotkruemeln herzustellen, die den Geschwistern den Weg nach Hause zeigen sollen und letztlich ihr verhaengnisvolles Treffen mit der Hexe in ihrem Lebkuchenhaus, zeigen sich in meinem Projekt. Das Maerchen macht uns auf unser Verstaendnis des Begriffs “daheim” aufmerksam, indem es versucht, das Gefuehl von Sicherheit, Vertrautheit, Schutz und ein Zuhause im Lebkuchenhaus zu erschaffen. Dies erweist sich jedoch als eine Fassade. Das Maerchen beginnt mit einer Beschreibung des Wortes "heimisch" oder "heimelig" und laesst den Zuhoerer am Schluss den tragischen Wandel von "heimelig" zu "unheimlich" erkennen. Noch eine weitere Anmerkung: es ist die Schwester, die am Schluss ihren Bruder aus der Hand der Hexe rettet, indem sie diese in den Ofen wirft.

un/heimlich

Die Kuenstlerin Lily Markiewicz beschaeftigt sich mit der Wirkung des Betrachtens von Kunst auf unser Unterbewusstsein. Versuchen wir spontan in unserem Unterbewusstsein, die anfaengliche Reaktion beim Betrachten eines Kunstwerkes zu rationalisieren, indem wir uns auf den emotionellen und aesthetischen Eindruck konzentrieren, den das Kunstwerk womoeglich auf uns hat? Koennen wir mit dem Gefuehl, die Kontrolle ueber unsere Emotionen zu verlieren, falls uns das Kunstwerk unheimlich oder irritierend vorkommt, besser umgehen, indem wir unsere Reaktion und die Aesthetik des Objekts schon im Voraus analysieren? Dies ist eine wissenschaftliche und deshalb eine Methode der Aufklaerung, mit Kunst umzugehen. Versuchen wir damit, Kunst und Wissenschaft zu versoehnen? Diese Fragen stelle ich unter anderem mit meinem Projekt, wobei ich auf das Gefuehl der Verwirrung und Kontrollosigkeit reagiere, das ich am Anfang meines Aufenthaltes in den USA meistens verspuerte. Ich machte Amerika mein neues Zuhause – manches verwirrt mich noch immer, aber die Momente der Konfusion sind sehr selten - aber auch wichtig. Ich bin mir bewusst, dass ich das Ausueben meiner Kunst nicht als einen Versuch ansehe, ein Zuhause fuer mich zu schaffen, aber ich weiss, dass die Zusammenarbeit mit mir bekannten als auch unbekannten Nuernbergern eine therapeutischen Auswirkung haben wird.

Ich bewundere den Enthusiasmus fuer mein Projekt, den meine Mutter an den Tag legt. Sie stellt Verbindungen mit Leuten her, die mir womoeglich hilfreich sein koennten. Wir haben noch nie so oft und so viel miteinander telefoniert….

Die Liste meiner Mitarbeiter bis jetzt - in Nuernberg: meine Mutter, Monika Lenzer, Michael Matthaeus Martha, Matthias Dachwald, Ute Little; in den USA: Kaycee Olsen in Los Angeles.

Postaustausch


Gehackte kandierte Chillischoten



Austauschwaren: meine Mutter schickt mir unter anderem Kopien von alten und neuen Fotografien und andere Information ueber den Hauptmarkt. Ich habe sie gebeten, mir ganz bestimmte Information zu senden, aber sie hat auch Buecher und Fotoalben von Freunden und Bekannten geborgt. Am Montag habe ich ihr ein ziemlich grosses Paket mit Pecannuessen, Cashews, Allspice (Gewuerz; schmeckt wie Zimt, Nelken, und Muskat), kandierten als auch getrockneten Pfefferschoten und eine Auswahl von selbstgebackenen Chillipfefferkuchen, die ich als Weihnachtsgeschenke getarnt habe, geschickt. Ich hoffe, das Paket wird an seinem Bestimmungsort ankommen…

Nachtrag am 29. Dez.: Paket kam an, mit allem, was ich eingepackt hatte.

Chillipfefferkuchenmischung (ah, das ist das Gute an der deutschen Sprache...)



Pflastersteinplaetzchenausstecher (diese ewig langen Woerter, die man in Deutsch erfinden kann....)


Ausstechformen fuer die Pflastersteine aus Chillipfefferkuchen in zwei Groessen. Ich frage mich, ob meine Konstruktion wohl als Ganzes in Nuernberg ankommt...

Das Rezept

Hier ist das Rezept, das ich fuer’s Backen der Chillipfefferkuchen benutze. Ich musste als erstes die deutschen Messeinheiten aus dem Kochbuch, das meine Mutter mir als Anleitung schickte, in amerikanische Einheiten konvertieren. Diese sind cups, teaspoons und tablespoons. Dann habe ich meine amerikanische Version des Rezeptes wieder in deutsche Masseinheiten umgewandelt und meiner Mutter als Anleitung geschickt.

Also: man nehme

1 Pfund Honig + 1/4 Honig extra, da ich ja keinen Zucker benutze
350 g gemahlene Nuesse: Pecans, Cashews, Walnuesse
115 g Butter
2 Eier
geriebene Schale jeweils einer ungespritzten Orange und Zitrone
400-500 g Maismehl: kommt auf die Grob-bzw. Feinheit des Mehls an
1/2 Essloeffel Allspice
1 Teeloeffel Vanille
gut 50 g ungesuesstes Kakaopulver
ca 1 Essloeffel Chillimischung

2 Essloeffel kandierte Chillischoten*

Den Honig mit der Butter zum Kochen bringen und die Mischung auf Raumtemperatur abkuehlen lassen. Alle Zutaten im Mixgeraet verruehren und in eine Schuessel mit Deckel fuellen. Den Teig an einem warmen Ort acht Tage stehen lassen (In Florida reicht’s in der Kueche, in New York und in Deutschland ist’s besser, ihn in den Ofen oder einen dichten Behaelter zu stellen). Mit viel Maismehl ausrollen und in Quadrate schneiden oder mit der Ausstechform Pfastersteine formen. Auf Backpapier bei 165 C ca. 15-20 Minuten backen. In einer dichten Dose oder Plastikschuessel koennen die Lebkuchen monatelang aufbewahrt werden.

*Die Stengel von den Pfefferschoten abschneiden und die Schoten dann der Laenge nach halbieren, die Samen entfernen und die Schoten in Streifen schneiden; zu gleichen Teilen Wasser und Zucker in einem Topf mischen, die Schoten dazugeben und das ganze eine Stunde lang koecheln lassen. Die Schoten aus dem Wasser nehmen und auf einem Backblech ca. 10 Minuten auf 200 Grad trocknen lassen. Uebrigens, der Sirup schmeckt ueber Eis oder Pfannkuchen; aber mit Vorsicht geniessen! Copyright: ice cream ireland

Tipp: die Pfefferschoten nur mit Gummihandschuhen anfassen.

Backspuren


Die benutzten Kuechengeraete und uebriggebliebenen Zutaten vom Backen haben mich dazu motiviert, ein Stilleben in der Art der niederlaendischen Renaissance zu fotografieren. Szenen aus dem Leben des hollaendischen Mittelstandes, dargestellt auf Gemaelden der noerdlichen Renaissance. Stilleben von anscheinend achtlos drapierten Lebensmitteln und Kuechenutensilien...

Essbare Steine

Ich habe mich in Wolf Lepenies und meine Pflastersteine zur selben Zeit verliebt.

Ich bin begeistert, wie sehr meine gebackenen Chillipfefferkuchen richtigen Pflastersteinen aehneln. Ich habe vor, Gewuerze ueber eine bestimmte Flaeche des Hauptmarkts zu streuen. Die duftenden Gewuerze spielen auf die traditionelle Bestimmung des Marktplatzes als ein Handelszentrum an. Die rotbraune Farbe der Gewuerze, die in die Abstaende zwischen den Pflastersteinen sickern wird, beruehrt historische Geschehnisse auf dem Hauptmarkt, wie oeffentliche Folterungen, Verleumdungen und Demuetigungen, die hier im Namen der regierenden Macht ausgeuebt wurden. Ich werde Besucher des Hauptmarktes dazu auffordern, ueber die Gewuerzmischung zu gehen und so das aromatische Puder ueber eine weitere Flaeche auszubreiten.

"Die perfekte Hausfrau"


Mit meiner ersten Ladung von Lebkuchen - nein, Chillipfefferkuchenpflastersteinen....Super 8 Film vom Backen kommt auch bald....meine Klamotten hat meine Mutter gemacht....

Nuesse im und um den Blender herum

Variationen

Ich backe Lebkuchen nach dem Rezept, das mir meine Mutter geschickt hat, aber ich ersetze die traditionellen Zutaten fuer Nuernberger Lebkuchen, vor allem Gewuerze aus Indien und China, mit Zutaten, die einheimisch zu Amerika sind. Ich tausche Ingwer gegen Chillischoten, Zimt gegen Allspice, Mandeln und Haselnuesse gegen Pecans, Walnuesse und Cashews, Zucker gegen Honig und Ahornsirup und Weizenmehl gegen Maismehl aus. Ausserdem gebe ich eine gute Menge Kakao und Vanille hinzu. Der Teig muss fuer acht Tage "in der warmen Kueche" ruhen, dann werde ich ihn in Form von Pflastersteinen backen, um den Hauptmarkt zu nachzubauen. Diese gebackenen Pflastersteine werden als Waehrung fuer meine Geschichtesammlung dienen. Jeder, der mir eine persoenliche Erzaehlung ueber den Hauptmarkt berichtet und mich diese aufnehmen laesst, bekommt dafuer einen Chillipfefferkuchen. Ich habe vor, die gesammelten Anekdoten an das Stadtmuseum Nuernberg zu geben, damit sie die Geschichte Nuernbergs und seiner Einwohner, erweitern.


Eine Seite aus dem Kochbuch meiner Mutter mit ihren und meinen Notizen: Verbesserungsvorschlaege von ihr, Gewichtsumrechnungen von mir.

Flüstergewürz

Meine kuenstlerischen Kollaborateure bei meinem Projekt sind meine Mutter, einige ihrer Freunde, die Stadt Nuernberg und Matthias Dachwald, Kurator der Kunsthalle Nuernberg.

Ich arbeite an Variationen eines Rezepts fuer Nuernberger Lebkuchen. Die ersten Lebkuchen, die zum Verkauf angeboten wurden, sind 1395 in einer Baeckerei in der Naehe des Hauptmarkts produziert worden - so heisst es zumindest in der offiziellen Geschichte der Lebkuecherzunft. Nuernberg war eine der noerdlichsten Staedte, die in den Handel mit Asien einbezogen waren. Durch Kaufleute wurden orientalische Gueter ueber Norditalien nach Deutschland gebracht und so hatten Baecker Zugang zu Gewuerzen wie Zimt und Ingwer. Nuernberg war im Mittelalter ein wichtiges Handelszentrum und in diesem Sinne hat Nuernberg schon sehr bald an der Globalisation teilgenommen.

Bis jetzt hab ich vor allem mit meiner Mutter zusammengearbeitet. Ihre Freunde werden ihr helfen, meine amerikanische Version der Lebkuchen als "Tauschwaehrung" zu backen. Ich habe vor, eine Gruppe von Nuernbergern zu finden, die zur Geschichte Nuernbergs ihre eigenen, persoenlichen Anekdoten im Zusammenhang mit dem Hauptmarkt zufuegen wollen, die ich mit einem Rekorder aufnehmen werde. Jeder Erzaehler bekommt einen selbstgebackenen Lebkuchen fuer eine Geschichte. Eine der Rollen, die Matthias Dachwald hoffentlich uebernehmen wird, liegt in der des Vermittlers zwischen Behoerden und mir, im Fall, dass ich eine Erlaubnis fuer mein Hauptmarktprojekt benoetige.



Dies ist eine Werbesendung fuer kommerziell hergestellte Nuernberger Lebkuchen. Es zeigt die typischen Formen, in denen die Lebkuchen angeboten werden: rund, rechteckig, herz- und sternfoermig, mit Zucker- und Schokoladenguss. Die Firma bietet weltweiten Versandt des Gebaecks an. Ich bin eine Geniesserin der Lebkuchen und jaehrliche Nutzniesserin des Versandts.

Was weiss ich schon

Im Moment sammle ich Information ueber die Geschichte des Nuernberger Hauptmarktes. Dieses Foto muss um die selbe Zeit aufgenommen worden sein, als mein Urgrossvater verhaftet wurde. Zu diesem Zeitpunkt haben die Nazis den Platz in Adolf-Hitler-Platz umbenannt.




Dies ist ein Artikel aus der Nuernberger Zeitung.

Synopse

Mein Projekt Flüstergewürz ist eine kuenstlerische Kollaboration mit meiner Heimatstadt Nuernberg. Ich werde den Prozess mit verschiedenen Medien dokumentieren, u.a. mit Super 8 Film, Video, Fotografien und mit einem Tonbandgeraet. Ausser mir sind noch weitere Kuenstler als Kollaborateure beteiligt - einschliesslich Michael Matthaeus Martha, Matthias Dachwald und meine Mutter als meine Hauptkollaborateurin.

Ich habe angefangen, gemaess eines Rezeptes fuer Nuernberger Lebkuchen, das mir meine Mutter geschickt hat, meine amerikanische Version des Backwerks herzustellen. Traditionelle Zutaten, wie z.B. Ingwer und Zimt, ersetze ich mit Allspice und Chillischoten, Gewuerze, die in Amerika heimisch sind. Ich nenne diese amerikanischen Lebkuchen Chilibread. Den Teig forme ich zu kleinen Pflastersteinmodellen, die das Kopfsteinpflaster auf dem Hauptmarkt simulieren. Einige der Zutaten werde ich nach Deutschland schicken muessen, da ich nicht weiss, ob sie in Nuernberg erhaeltlich sind.

Die Geschichte meiner Familie ist eng verbunden mit Erinnerungen an Super 8 Filme, die zwischen dem Nuernberger und dem kalifornischen Teil der Verwandtschaft hin- und her geschickt wurden, um Kenntnis ueber das Leben der Anderen auszutauschen. Ich habe mich selber in meiner Kueche in New York beim Chilibread-backen mit einer Super 8 Kamera gefilmt und habe vor, dieses Filmmaterial zu meinen Kollaborateuren in Deutschland zu schicken. Ich stelle mir vor, dass dieses Projekt sich stetig weiterentwickeln wird, vor allem durch die Mitarbeit der oben erwaehnten Mitarbeiter, Maler und Bildhauer Matthaeus Martha und Kurator der Kunsthalle Dachwald.

Vor und waehrend meines Aufenthalts in Nuernberg Ende Maerz werde ich Nuernberger Einwohner kontaktieren, die mir ihre Geschichten um den Hauptmarkt erzaehlen und aufnehmen lassen und mit denen ich das Chilibread, das meine Mutter und ein paar ihrer Freunde gebacken haben, teilen werde. Chilibread, genauso wie Lebkuchen, kann fuer Monate gelagert werden und wird dadurch eigentlich nur besser. Die Chilibread-Pflastersteine dienen als Waehrung fuer den Tausch gegen persoenliche Anekdoten. Diese Erinnerungen ergaenzen das Archiv der Geschichte Nuernbergs und durch ihren persoenlichen Character sind sie nicht an die Zensur einer Institution gebunden.

Im Juni werde ich eine Installation am Hauptmarkt versuchen, die sich durch Gewuerze und die Kreation einer willkuerliche "Landkarte" realisieren soll. Die aromatischen Gewuerze werden mit Sand und Farbpigmenten gemischt und dann ueber eine kleine Flaeche in der Mitte des Marktplatzes gestreut. Ich stelle mir vor, dass die Mischung sich zwischen den Pflastersteinen absetzt und dass sich gleichzeitig durch darueberlaufende Besucher Spuren bilden, die sich ueber den Hauptmarkt ausbreiten. Die Aktion wird aromatische als auch sichtbare Spuren hinterlassen und hoffentlich die Besucher zu Kommunikation als auch zum Erinnern aufrufen. Der weltbekannte Hauptmarkt kann so in einem neuen Zusammenhang erscheinen und auf die staendig sich aendernde Geschichte und Zweck eines Ortes hinweisen.

Der Titel Flüstergewürz ist mir eingefallen im Bezug auf die Bedeutung der Gewuerze, aber auch als Hinweis auf fluesternde Konversationen. Man muss sich anstrengen, um die Worte eines fluesternden Kommunikationspartners zu verstehen. Auf Grund der intensiveren Konzentration glaube ich, dass das Gehirn eine gefluesterte Konversation laengere Zeit speichert und man sich daran besser erinnert. Maerchen werden oft im Halbgefluester erzaehlt, teils, um die Aufmerksamkeit der Zuhoerer zu erlangen, teils, um die Spannung zu erhoehen. Ich beschaeftige mich zur Zeit mit Metaphern in Haensel und Gretel, die womoeglich mit der unheilvollen Geschichte Nuernbergs in Verbindung gebracht werden koennen: zwei Kinder, die sich in einem dunklen, deutschen Wald verlaufen und von einer Hexe in einem Lebkuchenhaus festgehalten werden....

Woher die Idee kam...

Dies ist das einzige Foto meines Urgrossvaters. Als Kind hat mich sein durchsichtiges und gebraechliches Gesicht in dieser Fotografie immer beaengstigt. Er ist, als er noch keine 55 Jahre alt war, an Magenkrebs gestorben.

Eine Geschichte aus seinem Leben hat mein Kunstprojekt inspiriert. Mein Vater hat mir kuerzlich folgendes erzaehlt: "Dein Urgrossvater, mein Grossvater war ein Sozialist und die Gestapo hat ihn 1934 verhaftet, weil er sich auf den Hauptmarkt gestellt und gegen den Hitler und seine Politik geschimpft hat." Danach hat ihn die Polizei auf die Wache gebracht und festgehalten, bis seine Frau und seine drei Toechter fuer seine Freilassung plaediert hatten. Sie gaben an, dass sie ohne ihren Vater kein Einkommen haetten und verhungern wuerden. Er wurde kurz darauf wieder freigelassen.

Diese Geschichte ist die Verbindung meiner Familie zum Hauptmarkt. Haette mein Vater diese Episode nicht erwaehnt, waere sie letzten Endes vergessen worden. Wieviele solcher Geschichten, wie die meines Urgrossvaters, gibt es? Wer erinnert sich an sie? Welche Geschichten sind wichtig fuer welche Menschen, dass sie sich an sie erinnern? Welche Episoden wuerden lieber vergessen werden? Mit meinem Projekt moechte ich persoenliche Geschichten zu der Chronologie Nuernbergs und des Hauptmarkts fuegen, indem ich Erinnerungen, die mir von verschiedenen Einwohnern der Stadt berichtet werden, mit einem Tonband aufnehme. Der urspruengliche Zweck des Hauptmarkts als mittelalterliches Handelszentrum hat ausserdem mein Interesse geweckt - ich habe vor, selbstgebackene Lebkuchen gegen die Anekdoten auszutauschen....