fluestergewuerz in der hampden galerie in amherst

Am 31. Maerz werde ich nach Amherst fahren, um das Projekt "Fluestergewuerz" bei einer Ausstellung vorzustellen. Ich werde unter anderem chilibread, das von Verwandten und Freunden in den USA als auch in Deutschland gebacken wurde. Die Ausstellung findet im Zusammenhang mit einer Konferenz ueber internationale Kunstkollaborationen in Boston statt, an der ich auch als Panelistin teilnehmen werde.

Die Baecker, die mir geholfen haben, heissen:
Annemarie Rinnhofer, Monika Lenzer, Lisa
Townley, Kirsten Kuccer

Gib's weiter

Flüstergewürz ist eine weitreichende kuenstlerische Kollaboration, in der Familien und Freunde, Nachbarn und Fremde, Kuenstler und nicht-Kuenstler zusammenarbeiten und sich ueber Begriffe wie Heimat/Daheim, Vertrauen, Erinnerung, Migration und Trennung, Gedanken machen. Nachfolgend ist meine amerikanische Version des Rezepts meiner Mutter fuer Nuernberger Lebkuchen (nicht Elisen!). Bitte dieses als Ausgangsbasis fuer Ihre eigene Version benutzen (dieses ist fuer Teilnehmer in Amerika geschrieben).


2.6 cups Honig/eine kleine Menge Maplesirup

1.5 cups gemahlene Nuesse (Cashews, Pecans/Hickory, Walnuesse)

8 Essloeffel Butter

2 Eier

abgeriebene Schale einer Orange und einer Zitrone

2.6 cups Maismehl

½ Teeloeffel Allspice

1 Teeloeffel Vanille

2 Essloeffel gehackte kandierte Chilischoten

½ Teeloeffel getrocknete gemahlene Chilischoten

½ Teeloeffel gemahlenes Ancho Chile Pfeffer

¼ cup ungesuesstes Kakaopulver

(2 gutgemessene cups ergeben ungefaehr 1 Pfund)


Alle Zutaten gut miteinander vermischen und an einem warmen, dichten Ort acht Tage ruhen lassen. Mit Ausstechformen oder mit den Haenden Lebkuchen (rund oder eckig) formen, auf's Backbleck mit Backpapier setzen und im Ofen auf 160 Grad fuer 15-20 Minuten backen.


Fuer meine Version ersetze ich traditionelle Zutaten fuer Nuernberger Lebkuchen, wie z.B. Zimt, Ingwer, Haselnuesse und Mandeln, mit Zutaten, die in Amerika heimisch sind. Ich nenne es Chilibread.

Altertuemliche Namen fuer Lebkuchen sind Honigbrot (Aegypten), Honigkuchen und Pfefferkuchen. Lebkuchen koennen fuer Monate aufbewahrt werden und man sagt, dass sie durch das lange Lagern nur noch besser werden.


Arbeiten Sie mir mir zusammen und erfinden Sie Ihre eigene Chilibreadversion. Bringen oder schicken Sie mir ein Stueck Ihres Chilibreads und Ihr Rezept. Machen Sie mit in einer internationalen Kollaboration zwischen amerikanischen und deutschen Baeckern. Mein Ziel ist es, diese Kollektion von Rezepten als Buch zu veroeffentlichen.


e-mail: angelika.rinnhofer(at)gmail.com

Eine Art Zusammenfassung

Der Sommer in Berlin - MFA These und Ausstellung - zwei intensive und offenbarende Jahre sind in visuellen und verbalen Manifesten kulminiert. Ich reflektiere an Kritiken und Fragen und spuere langsam aber sicher deren Effekt - auf mein Kunstmachen, aber auch auf andere Dinge....

Eine Performance bei ConcentArt Berlin: Chilibread verschlingen, Kunst konsumieren?

Korrelationen

Daheim

Reale Reflexionen





Wesentliches - Fotografien von Erinnerungen

Kollaborateure und Austausch







Meine Mutter und einige unserer Kollaborateure - der Hauptmarkt - ein Tisch, der fuer uns gedeckt wurde - ein Lebkuchenhaus, ueber das uns berichtet wurde

Nuernberger Geheimnisse

Meine Mutter ist meine Agentin, sie hat Interviews fuer mich mit mindestens 20 Leuten organisiert, mit denen ich Chilibread gegen Geschichten austausche. Die Menge von Chilibread, die meine Mutter und ihre Freunde gebacken haben, ist erstaunlich. Ich bin aus dem Flugzeug ausgestiegen, habe ein Nickerchen gemacht, bis mich meine Mutter aufweckte, um unser erstes Interview aufzunehmen.
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Sie hat eine Gemeinschaft von Kollaborateuren geschaffen. Ihre Rolle in meinem Projekt ist sehr wichtig, da sie in ihrer Gemeinde bekannt ist. Leute vertrauen ihr und das macht es leichter fuer sie, mir zu vertrauen. Ich bin ein Aussenseiter, eine Kuenstlerin. Kunst spielt keine grosse Rolle in den Leben der meisten meiner Kollaborateure. Nichtdestotrotz spuerte ich das Interesse zu kommunizieren, Geschichten weiterzugeben und ueber Erinnerungen zu reden. Ich bemerkte, dass das Thema des Hauptmarkts nicht fuer jeden so wichtig war. Oft sind die Erzaehler ausgeschweift, haben sich von Erinnerungen gehen lassen und von anderen Dingen berichtet. Vom Krieg, von fremden Heimaten, Kindheitserinnerungen und - verstorbenen Haustieren.
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Die Kuenstlerin als Zuhoererin, Heilerin, Therapistin, Ratgeber, Opfer (!) - am wichtigsten allerdings finde ich meine Rolle als Interpreter. Menschen suchen nach Interpretationen ihrer Erlebnisse. Das Risiko: die Interpretation der Kuenstlerin wird nicht akzeptiert - da gelangt man in eine prekaere Situation.
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Die meisten unserer Kollaborateure haben uns in ihrem Haus oder am Arbeitsplatz empfangen. Meine Mutter und ich waren Gaeste, die manchmal sogar zum Essen eingeladen wurden. Wieder andere waren etwas ueberrascht, verwirrt und zuerst ein wenig misstrauisch.
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Wenn man mit einer Gruppe von Leuten an einem Kunstprojekt arbeitet, wird Vertrauen sehr wichtig. Das ist, wo meine eigene Stellung als Kuenstlerin in den Weg geraet: ich fuehle den Drang, mich nicht niederlassen zu wollen und den Begriff "Heimat" staendig in Frage zu stellen. Vertrauen aber braucht die Stabilitaet einer Gemeinschaft. Wie lange kann ich Mitglied einer Gemeinschaft sein, bevor ich zu bequem werde oder den Drang verspuere, sie zu verlassen? Vielleicht ist dieses Verlangen, sich nicht niederzulassen, sich staendig mit Neuem konfrontiert zu sehen, die Motivation, aus der meine Kunst entsteht.
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Nostalgie kommt oft vom Nicht-Dazugehoeren zu einer Gemeinschaft - wie die Geschichten aus Nuernberg. Wenn ich weg von Deutschland bin, werde ich nostalgisch und sehne mich danach. Und wenn ich da bin, sehe ich die Wirklichkeit und wie sie ist. Ich fuehle mein Nicht-Dasein. Moeglicherweise beschreibt dies am besten Sigmund Freuds Gedanke des Unheimlichen.

Pfeile und Gewuerze


Waehrend meine Mutter und ihre Freunde in Nuernberg Chilibread backen, denke ich ueber die geplante Performance/Installation am Hauptmarkt nach. Nachdem ich mit einer Leiterin des Marktamtes gesprochen und sie mich ueber den staendigen Wind am Hauptmarkt gewarnt hat, muss ich die Idee einer Gewuerzschichts ueber dem Kopfsteinpflaster nochmal ueberdenken. Vielleicht sollte ich ein kleines Zelt oder einen Kiosk aufbauen, in dem sich das Aroma der Gewuerze sammeln wuerden. Einige Ideen gehen mir im Moment durch den Kopf....

Der Gedanke, wie sich das Gewuerzaroma in einem Raum verstreuen koennte, hat mich auf eine Performance gebracht, die ich in der Sideshow Gallery in Brooklyn zeigen werde: Ballone, die mit Gewuerzen gefuellt sind, explodieren, wenn man sie mit Pfeilen trifft. Dannach entfaltet sich das Gewuerzaroma in der Galerie.

Das ist nicht New York


Amerika bestaetigen - Amerika (New York) in Fotos dokumentieren - in diesen Fotografien versuche ich, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf kein spezielles Motif or Objekt zu wenden, sondern einfach nur zu beschreiben und so den Platz aufzuzeichnen, in dem ich lebe. Das stellt sich als schwierig heraus, da es die Natur des Fotografen ist, zu dokumentieren, Aufmerksamkeit zu richten und zu archivieren. Ist es wichtig und hat es Sinn, diese Bilder zu vervielfaeltigen?
Sich an das Amerika meiner Grossmutter zu erinnern - als Super 8 Film. Ich filme New York, Beacon, mich selber.

Zarah Leander's Erbe


Schwarz/weiss Filme aus den 50er und 60er Jahren haben Cindy Sherman zu ihrer Serie "Film Stills" inspiriert. In meinen Super 8 Filmen imitiere ich meine Grossmutter, wie sie fuer die Kamera zuerst ihres Mannes und spaeter meines Onkels posiert hatte - in Californien in den 60er und 70er Jahren. Ich nehme die Posen meiner Grossmutter an, wie sie z.B. in die Kamera winkt und sich wie ein Stummfilmstar gibt (sie hat Zarah Leander bewundert). Ich erinnere mich an Szenen von diesen Filmen, von denen meine Eltern eine Anzahl aus Californien geschickt bekamen. Ich spiele, an was ich mich erinnere: meine Grossmutter zeigt sich stolz ueber ihr neues Leben in Amerika. Ich berufe mich auf meine Erinnerungen beim Spielen dieser Posen, aber ich fuege auch meine eigenen Bewegungen dazu. Ich habe mich oft gefragt, fuer wen meine Grossmutter sich in Pose warf - fuer uns, ihre Verwanden in Deutschland? Fuer den Filmemacher?

Film Fotos

 
  
  
  
  

Fotografien, genommen von den Super 8 Filmen 'Daheim' - in Beacon und in New York.

Zwischen Kunst und Forschung

Zur Zeit wandern meine Gedanken oft zurueck nach Nuernberg, wobei ich versuche, den Verlauf meines Projekts "Fluestergewuerz" und die Reaktion meiner Kollaborateure, als auch die von unbeteiligten Besuchern des Hauptmarkts, zu erahnen. Der Begriff "daheim", mit dem sich die Malerin Judith Tucker, aber natuerlich auch Sigmund Freud in seiner Betrachtung ueber den Begriff "unheimlich" auseinandersetzt, spielt insofern eine Rolle, als dass sich mein Verstaendnis des Wortes irgendwo auf meinen Wanderwegen zwischen Europa und Amerika aufgeloest hat. Ich habe tatsaechlich nirgendwo das Gefuehl, "daheim" zu sein, wobei ich mich gleichzeitig nicht nach einer geografisch bestimmten Gegend sehne. Ich sehe kein Problem darin, meine eigene, persoenliche Geschichte zu erzaehlen, die an Deutschland, die Vereinigten Staaten oder an das Hin- und Herwandern zwischen den beiden Kulturen, gebunden ist. Meine Unabhaengigkeit von einer, oft mit nostalgischen Gefuehlen assoziierten, geografisch bestimmten Idee eines "Zuhauses" kann sicherlich unserer Moeglichkeit des freien, ungebundenen Reisens zugesprochen werden. Ich bin mir bewusst, dass ein Gefuehl der Sehnsucht nach "daheim" mit der Unmoeglichkeit, zu einem Ort des Erinnerns, der Kindheit und des Vertrautseins, zurueckzukehren, sich steigern wuerde. Dies ist eine positive Situation, die oftmals vergessen wird - Frustration waechst schnell, wenn Reisende wegen technischer oder wetterbedingter Probleme stunden- oder manchmal tagelang an einen Flughafen gefesselt sind. Fuer den Reisenden erscheint es selbstverstaendlich, dass eine Flugreise ohne Unterbrechungen und ohne Probleme von statten geht, denn das garantieren uns die Fluggesellschaften, sogar bevor wir unser Ticket kaufen. Wir fuehlen uns berechtigt in unserem Anspruch auf einen sorgenfreien und sicheren Ablauf unserer Reise. 

Zurueck zur Kunst: ich sehe meine Kunst nicht als Versuch, ein Gefuehl des Daheimseins zu etablieren, aber ich realisiere, dass das sich in Verbindung setzen mit bekannten und unbekannten Menschen in Nuernberg einen therapeutischen Effekt auf mich bewirkt. In diesem Sinn kann die aesthetische als auch psychologische Wirkung meines Projekts auf seine Zeugen (einschliesslich mich) als eine innere Migration zwischen Sicherheit und Ungewissheit, zwischen heimisch und unheimlich, betrachtet werden.
Die Erwaegung Nuernbergs als Ort meiner Kindheitserinnerung, aber auch die Rolle des Ortes als Motivation fuer meine freiwillige Auswanderung, faengt an, sich fuer mein Kunstmachen als ausschlaggebendes Element zu kristallisieren.